Bekommen wir den Hund, den wir brauchen?

Stephan Peukert • 28. September 2025

Man bekommt immer den Hund, den man braucht!

Living the Dog- Stephan Peukert
Was ist eigentlich an dieser Aussage dran?

Richtig heißt der Spruch wie folgt: „Man bekommt nicht den Hund, den man sich wünscht, sondern den, den man braucht.“ Mittlerweile habe ich diesen Satz schon häufiger von meinen Kunden gehört. Und das nicht nur von Menschen, die im Sinne des Autors des Zitates agieren, sondern auch von Menschen, die wie wild mit Leckerlies um sich werfen. Der Satz stammt nämlich von Cesar Milan. Jenem Hundetrainer, der von Rudelführung spricht, Hunde korrigiert und bei einigen sogar als Tierquäler gilt. Sein geflügelter Satz hat es trotzdem geschafft, auch da anzukommen, wo man seine Methode kritisiert. Also was ist wirklich dran?

Um diesen Satz wirklich zu verstehen, muss man in meinen Augen einen Prozess erlebt haben. Denn mit einem Hund, den man braucht und sich eben nicht wünscht, steht von jetzt auf gleich die eigene Vorstellung vom Hund auf dem Kopf. Es sind die Hunde, die uns aufzeigen, was eigentlich bei unserem Verständnis von Hunden komplett schief läuft. Hast du so einen Hund, verstehst du kaum noch, was da eigentlich in vielen Hundeschulen und Hundetheorien von sich gegeben wird. Denn dein Hund, den du gebraucht hast, der hat dich verändert. Im Denken, im Fühlen und in deiner Skepsis gegenüber der Vorstellung von Hunden.

Dieser Prozess bleibt allerdings bei vielen Menschen aus. Betrachte ich meine Kunden, ist der Hund häufig nur ein Auslöser, um sich einen Trainer zu suchen, der im eigenen Sinne handelt. Bedeutet, wenn der Hund nicht so will, wie ich, suche ich mir einen Menschen, der so will, wie ich. Und damit wird unsere Aussage ad absurdum geführt. Denn der Hund ist nicht mehr derjenige, den man braucht, sondern er wird zum Mittel - zum Zweck, um sich jemanden zu suchen, der mir das sagt, was ich hören will. Das Angebot ist groß. Du möchtes mit Leckerlies arbeiten, dann geh zu Trainer xy. Statt zu trainieren, möchtest du deinen Hunde telepathisch führen - dann ist Trainerin xy genau richtig für dich. Statt wirklich etwas von Hund zu lernen, also das was du wirklich brauchen würdest, wurde dieses Gefühl der Überforderung mit dem eigenen Hund zum Marketinggag für Verkäufer. Dein Hund löst ein blödes Gefühl in dir aus - dann komm zu mir, ich heile das und du fühlst dich schnell wieder verbunden und gut mit deinem Hund.

Genau das widerspricht unserer Aussage in einer Art und Weise, die sich nur als Respektlosigkeit und Infantilität von Erwachsenen gegenüber Hunden beschreiben lässt. Der Hund macht ein Aua und die Menschen gehen zu einem Mama- oder Papaersatz, die dann anfangen die Wunde zu pusten. Wo man sich fragen könnte, ob denn diese Menschen eigentlich Eltern hatten, die sie gebraucht haben. Denn da wird die Aussage ziemlich spannend. Wenn wir unsere Aussage über den Hund nämlich durch den Menschen ersetzen, entsteht eine Denkweise, die sehr interessant ist.

Auf meinem Patreon- Kanal veröffentlichte ich vor kurzen eine, sagen wir mal „spezielle“ Folge. In dieser ging es darum, das immer mehr Menschen in Emotionen abdriften, die dafür sorgen, dass sie am Ende des Tages komplett verwirrt sind. Genau dieses Problem des Menschen trifft dann auf Hunde zu, die man eigentlich braucht - die dann aber das Problem wie gewohnt über Emotionen lösen wollen. Heißt, dass sie das Problem der verwirrten Emotionen nicht lösen, sondern es durch andere Emotionen ersetzen. Ergo, der Hund macht Probleme und das fühlt sich doof an, also nehme ich ein Leckerlie, der Hund macht sitz und das fühlt sich dann gut an. Am Rande sei hier erwähnt, dass vieles, was den Hund betrifft ein emotionales Geschäft geworden ist. Vor kurzen führte ich ein Gespräch, in dem mein Gegenüber darüber berichtete, wie Menschen aufgrund des emotionalen Drucks bei der Krankheit des Hundes falsche Entscheidungen treffen, anstatt einmal durch zu atmen und sich weiter zu informieren. 

Wenn der Mensch also auf einen Hund trifft, den er eigentlich brauchen würde, ihn dann aber nur dafür nutzt, damit er sich besser fühlt, wird unsere Aussage falsch. Denn etwas, das man braucht, löst selten zu Beginn positive Emotionen aus. Häufiger ist das Gegenteil. Wir fühlen uns falsch, schlecht und als Versager, weil wir vor einem Problem stehen, dass wir nicht alleine gelöst bekommen. Doch genau dann, ergibt unsere Aussage wieder einen Sinn. Denn der Hund lässt uns vor eine Wand rennen, die verdeutlicht, dass unser bisheriges Denken und Handeln eben nicht funktioniert. Und wie soll sich das denn sonst anfühlen, wenn nicht total schlecht. In unserem Denken und Handelt steckt nun mal ein großer Teil von unserem Verständnis von der Welt. Unsere Überzeugungen, unser Glauben, aber häufig auch unsere Verletzungen und negativen Erfahrungen, die die Kontrolle über uns übernommen haben. Was passiert also, wenn wir die Aussage durch den Menschen ersetzen?

Du bekommst nicht den Partner den du willst, sondern den, den du brauchst. Und damit ist unser ganzes Verständnis von Beziehung hinüber. Du bekommst eben keinen Partner mit dem sich alles gut anfühlt und dir die Schmetterlinge im Bauch rumflattern. Wenn du auf dem falschen Kurs bist, bekommst du einen Partner, den du brauchst. Der dir aufzeigt, dass du eine schlechte Wahl getroffen hast. Auf der anderen Seite einen Partner, der dich fordert und fördert. Ein Partner der dich sein lässt, wie du bist, bei dem du sein darfst wie du bist, scheint mir doch eine sehr große Illusion zu sein. Denn das würde bedeuten, dass du nicht an dir arbeiten müsstest. Dass du eine Art Perfektion erreicht hast. Also wenn du damit nicht gegen eine Wand rennst, dann hast du noch nicht den Partner, den du brauchst. 

Im meiner Folge auf Patreon ging es darum, dass eben Frauen auch Hilfe von ihrem Partner brauchen. Dieser Partner häufig aber nicht da ist, da er sich in der selben verwirrten Emotionen befindet. Und häufig ist es doch so, dass wir am Gegenüber das kritisieren, was wir selbst nicht können. Damit hättest du einen Partner, der dir aufzeigt, worin dein Mangel besteht. Auf meine Aussage, dass Frauen, die emotional verwirrt sind, eigentlich ein männliches rationales Feedback bräuchten, erhielt ich eine Antwort, die mich genau diesen Text schreiben lässt. Denn in der Aussage stand, dass Frauen, die solch einen Partner haben, das gar nicht annehmen können. Denn sie sind häufig auf der Suche nach einem Mann, der ihre Emotionen versteht. Damit haben wir eines der größten Probleme zwischen Mann und Frau beschrieben. Frauen wollen etwas, dass sie sich wünschen. Sie wollen in ihren Emotionen gehalten und aufgefangen werden. Sie wollen verstanden werden. Das Problem ist aber, wenn jemand, egal ob Mann oder Frau in einer Emotion feststeckt, ist es mehr als fatal, sich dazuzugesellen. Denn wenn beide in der Emotion stecken, ist keinem geholfen. Wie heißt es so schön, mitfühlen ja, aber mitleiden auf keinen Fall. Was für viele Menschen auch ein guter Leitfaden für ihren Hund sein sollte. Zeige Mitgefühl, aber leide nicht mit. Denn nur so kann man vernünftig nein sagen.

Der Hund oder der Mensch, den man braucht, ist häufig das Gegengewicht zu unserer eigenen Situation. Und die Betonung liegt auf GEGEN. Eigentlich ist das, was wir häufig brauchen im ersten Moment gegen uns selbst gerichtet. Der Hund, der an der Leine zieht, richtet sich gegen uns, damit wir endlich die Augen aufbekommen und merken, was passiert, wenn wir uns nicht für uns selbst einsetzen. Ein Partner, für den wir alles machen und der uns schlecht behandelt, sollte uns langsam mal die Augen öffnen für die Respektlosigkeit, die wir uns selbst entgegen bringen. Wir umsorgen jemanden, der uns im Kern schadet. Wofür? Am Ende des Tages für die klitzekeinen Dosen des guten Gefühls. Wie ein Drogenabhängiger, der seine Verantwortung komplett an die Droge abgegene hat. Er lebt in einem Zustand, der negative Emotion, bis endlich die Erleichterung der Droge positive Emotionen verschafft. Ein Leben, das sich von der Realität losgelöst hat, weil man glaubt, dass es sich immer gut anfühlen muss. Und wenn wir Menschen Hunde brauchen, dann nur deswegen, weil sie uns mit ihrem Wesen zeigen, dass das die größte Lüge ist. Reibungspunkte und Konflikte bis hin zur körperlichen Auseinandersetzung, sind unter Hunden der gute Ton. All diejenigen, die sich von Hunden nur ein gutes Gefühl erhoffen und alle Trainer, die über den Hund ein gutes Gefühl verschaffen wollen, sind nichts anderes als Abhängige, die in einer verzerrten Koexistenz leben. Genau wie der Drogenabhängige und der Dealer. Damit sind beide ein Teil des Problems und niemals die Lösung. Weder der Hund noch der Trainer. Aber vielleicht hast du ja das Glück, auf einen Hund oder einen Trainer zu stoßen, den du tatsächlich gebraucht hast. Und vielleicht bist du auch deswegen genau hier gelandet. Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.