Wie man sein eigenes Bild vom Hund verändert.
Wenn man einfach nur austeigen will.
Genau so fing es an. Also zumindest für Faust aus der gleichnamigen Tragödie von Johann Wolfgang Goethe. Und zurecht kann man sich fragen wohin ihn das geführt hat. Wer Faust nicht kennt oder verdrängt hat, weil man in der Schule dazu genötigt worden ist, dem sei das Zitat erklärt.
Das Zitat stammt vom Wagner, dem Schüler von Faust. Beide üben sich mit unterschiedlichem Ziel der Wissenschaft Herr zu werden. Doch was Faust dort in der Dämmerung sieht, wird sein Leben verändern. „Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?“, erwidert Faust auf die Frage von Wagner. Es stellt sich heraus, es ist ein schwarzer Pudel. Aber irgend etwas scheint an ihm eigenartig zu sein. So äußert sich Faust:“ Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel auf seinen Pfaden hintendrein.“ Die ganze Situation in welcher der vermeintliche Pudel auf Faust trifft, steckt voller Erzählungen, wie man Hunde früher gesehen hat. „Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da. Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch. Er wedelt. Alles Hunde-Brauch.“ Noch wichtiger ist das was Faust im Hunde sieht. „Du hast wohl Recht; ich finde nicht die Spur von einem Geist, und alles ist Dressur.“
Es kommt wie es kommen musste. Faust nimmt den Pudel mit nach Hause und lässt ihn über die Türschwelle in sein Studierzimmer eintretten. „Sei ruhig Pudel! renne nicht hin und wider! An der Schwelle was schnoberst du hier? Lege dich hinter den Ofen nieder, mein bestes Kissen geb ich dir. Wie du draußen auf dem bergigen Wege durch rennen und springen ergetzt uns hast, So nimm nun auch von mir die Pflege, Als ein willkommener Gast.“ Doch dieser Beschreibung fällt es dem Wissenschaftler Faust schwer eine Trennung zwischen Mensch und Hund zu bewahren. „Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhöhnen, Was sie nicht verstehen, Dass sie vor dem Guten und Schönen, Das ihnen oft beschwerlich ist, murren; Will es der Hund, wie sie, beknurren?“ Wie sich aber im Verlauf der Nacht rausstellt, ist es kein gewöhnlicher Pudel - es ist Mephisto der Teufel. Nun kann man auf den Gedanken kommen, dass Faust sich mit dem Pudel den Teufel ins Haus geholt hat.
Its just a Dog- Es ist nur ein Hund.
Okay, vielleicht ist es nicht gerade der Teufel, den man sich ins Haus holt. Es scheint mir aber doch der Fall zu sein, dass uns Hunde - zumindest dienen sie als Mittel dazu - an uns zweifeln lassen sollen. Wenn wir das heutige Bild des Hundes mit dem vom Faust vergleichen, müsste wohl Faust heute verboten werden, weil er den Hund als geistlos bezeichnet. Und doch haben sich bereits die alten Griechen mit den Hunden befasst, doch keiner kam auf diese Ideen, die wir heute von Hunden haben. Es scheint so als hätten wir ganz tief in die Trickkiste gegriffen, um Mephisto noch einmal über unsere Türschwelle laufen zu lassen, obwohl wir wissen, dass es sich nur um einen Hund handelt.
Als hätten wir wieder in einen Pakt eingewilligt, der uns zu Verrätern an uns selbst macht, nur um der Lust nachzugehen. Einem Erleben in einer zu grau gewordenen Welt, so dass uns wenigsten der Feuerschweif des Pudels Licht in das Dunkle bringt. Steckt das vielleicht in der Beschreibung des Hundes als „Bester Freund“ oder „Therapeut“. Wir wissen eigentlich, dass etwas schief läuft, schreiben dem Hund aber Eigenschaften zu, um unsere Sehnsucht nicht zu äußern? Die Sehnsucht nach Freundschaft, nach Familie oder gar nach Liebe? Bei der ganzen Verdrängung unserer Bedürfnisse, vergessen wir liebend gerne eine Sache. Es ist nur ein Hund.
Sie sitzen Nächte vor Videos und Büchern über Hunde. Hören Menschen zu, die ihnen Tipps geben wie sie was und wann mit dem Hund machen müssen. Und ich habe das Gefühl, dass sich diese Menschen nicht einmal mehr als Pudel verkleiden müssen. Wir glauben ihnen, ohne mit der Wimper zu zucken. Als hätten wir bereits mit Blut den Vertrag unterzeichnet, der uns dazu zwingt, es einem imaginären Bild des Hundes recht zu machen und dabei uns selbst aufzugeben. Immer wieder habe ich versucht, aus diesem Kreislauf heraus zu kommen und bin doch immer wieder in die Falle getappt. Menschen sind nun mal Menschen. Sie verstehen die Hunde nicht. Sie verstehen nicht, wie primitiv Hunde sind, weil sie bei dem Begriff primitiv schon Abneigung verspüren. Doch ist es gerade das Primitive, das uns reizen sollte. Das Einfache. Das eben nicht mit dem Menschen gleich zu setzten ist. Doch wir arbeiten täglich daran dieses Primitive zu vernichten und geben uns jedes mal die Schuld, wenn wir der Wunschvorstellung widersprechen, dass wir Lassie und co. nicht richtig behandelt haben.
Es ist der Mensch
Doch die Wahrheit ist, dass ich noch nie einen Hund wie Lassie gesehen habe, der die Sprache der Menschen versteht und umgekehrt. Ich kennen keinen Hachiko, der immer wieder zum Zug läuft und sein Herrchen abholt. Ehrlich gesagt kenne ich keinen Hund, der ein Held, ein Vorbild oder etwas sein könnte, von dem man etwas lernt, wer man sein kann. Das haben immer wieder Menschen getan. Menschen die über Hunde reden. Aber vor allem Menschen die mit mir geredet haben. Die sich nicht erst als Pudel verkleidet haben, um mich zu täuschen. Und ja es sind verdammt wenige.
Mein Bild von Hunden hat sich in den letzten Tage extrem verändert. Es scheint mir so, als hätte ich eine Tür gefunden, die man schwer öffnet, weil man weiß, dass man einen Konflikt eröffnen wird. Aber das Öffnen der Tür hat mir wieder ein Stück mehr Ruhe gegeben. Vielleicht eben durch eine Erkenntnis. Vielleicht müssen wir eben nicht alles über Hunde wissen. Wer weiß schon alles über einen anderen Menschen. Und trotzdem sind wir in der Lage diesen zu lieben. Und auch wenn ich meine Hunde für primitive Geschöpfe halte, macht sie das nicht weniger liebenswürdig. Und erst recht möchte ich sie nicht missen. Aber es nimmt einem eine enorme Last, es immer richtig machen zu müssen. Immerhin sind Hunde so primitiv, dass sie in Konflikte gehen, sich auf die Nase hauen und am Ende des Tages zusammen im Bett kuscheln. Und was soll ich sagen… Die primitiven Konflikte, die ich mit meinen Hunde lebe und erlebe, führen genau zum selben Ergebnis. Manchmal wünschte ich, dass Menschen genau diese primitiven Sachen genau so händeln wie Hunde. Aber scheinbar sind sie dafür zu intelligent.
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Kommentare
Also ich feier gerade diesen Blog...Hallo Stephan...wieder einmal eine Punktlandung...woher weißt du solche Wahrheiten. Ich kenne nur Hundebesitzer, die ihren Hund verklärt (ich auch) ansehen und aus Scham verzweifelt versuchen ihn in unsere Menschenwelt zu pressen...
Danke, dass ich wieder so einen aufrüttelnden Blog lesen durfte. Du hast so recht, trotz ihrer meisterlichen Manipulationstechniken sind Hunde herrlich primitiv und direkt, wenn man sie läßt.
Mein Sonntag war nicht umsonst :-)...ich habe wieder was gelernt und vorallem verstanden. Nochmals danke und ich freu mich auf den nächsten Blog. Schönen Rest-Sonntag und viele Grüße Antje Hohman
Wow, ein Meisterwerk! Philosophisch, gefühlsnah, intelligent und doch ganz primitiv heruntergebrochen.
I like it!